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  • AutorenbildINAGO - Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung

Warum und wie beeinflusst die Arbeit den Menschen? – Eine arbeitspsychologische Erklärung

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitsmerkmale immanent auf die Arbeitenden wirken und mittel- bis langfristig eine Anpassung bzw. Veränderung der jeweiligen Leistungsvoraussetzungen des Arbeitenden bewirken (Mustapha 2020, Schweden 2018). Einfach ausgedrückt: Arbeit verändert bzw. beeinflusst den Menschen. Dieser wesentliche Ausgangspunkt ist wissenschaftlich fundiert und basiert auf Erkenntnissen bedeutender Modelle (z.B. Belastungs-Beanspruchungs-Konzept, Auftrags-Auseinandersetzungs-Konzept, Redefinitionsparadigma, Handlungsregulationstheorie). Ohne diese Konzepte im Detail zu erklären, wollen wir mit diesem Beitrag kurz und prägnant den Arbeitsprozess und dessen Auswirkungen auf den arbeitenden Menschen erläutern (siehe Abbildung).

Die Belastung (obere Drittel der Abbildung) ist in der Arbeitspsychologie ein wertneutraler Begriff, der weder positiv noch negativ assoziiert ist. Sie umfasst alle erfassbaren Einflüsse, die von außen auf einen Menschen einwirken. Die Belastungen umfassen dabei die Arbeitsmerkmale, welche sich aus den Job Content (Arbeitsinhalte wie z.B. inhaltliche und zeitliche Freiheitsgrade) und den Job Context (Arbeitsbedingungen wie z.B. der Arbeitsplatz und die Arbeitsumgebung) zusammensetzen. Diese werden wiederum durch den Arbeitsauftrag sowie durch gesellschaftliche und technologische Entwicklungen beeinflusst. Die Gesamtheit der Belastungen stellt die Anforderungen an die Arbeitenden dar.

Entsprechend der individuellen Leistungsvoraussetzungen des Arbeitenden, setzt sich dieser proaktiv mit den Anforderungen auseinander. Die individuellen Leistungsvoraussetzungen (mittleres Drittel der Abbildung) umfassen z.B. Fähigkeiten, Fertigkeiten und den aktuellen gesundheitlichen Zustand. Dabei erfolgt eine individuelle Interpretation des Arbeitsauftrages. Je nach Ressourcen der arbeitenden Person entsteht somit eine redefinierte Aufgabe, welche in Form einer konkreten Arbeitshandlung umgesetzt wird.  Das bedeutet, dass der Arbeitende sich bewusst und unbewusst mit seiner Arbeit auseinandersetzt und dann auf die eine oder andere Art und Weise eine konkrete Arbeitshandlung ausführt.

Bei diesem Prozess kommt es zu einem Arbeitsergebnis. Neben einem Produkt oder einer Dienstleistung stellt auch ein Fehler bzw. Fehlversuch ein Arbeitsergebnis dar. Wichtig ist das Verständnis, dass bei diesem Prozess immer individuelle Leistungsvoraussetzungen in Anspruch genommen werden und dadurch Beanspruchungsfolgen entstehen (unteres Drittel der Abbildung). Je nach Anforderung und individueller Leistungsvoraussetzung sind diese Beanspruchungsfolgen positiv (z.B. Aktivierung, Motivation) und/oder negativ (z.B. Ermüdung, Monotonie, Sättigung).

Insbesondere die Selbstveränderung bzw. die Veränderung der individuellen Leistungsvoraussetzungen ist ein wichtiger Aspekt des Arbeitsprozesses, der oft vernachlässigt wird. Die Selbstveränderung resultiert aus der Beanspruchung und kann einerseits eine Weiterentwicklung oder andererseits eine Beeinträchtigung sein. Doch nicht jede negative Beanspruchungsfolge zieht eine mittel- oder langfristige Beeinträchtigung nach sich. Im Gegenteil kann z.B. eine psychische Ermüdung zu einer Anpassung bzw. Adaption des menschlichen Organismus führen, sodass der arbeitende Mensch über bessere Leistungsvoraussetzungen verfügt bzw. das aktuelle Niveau der Leistungsvoraussetzungen aufrechterhält. Damit dies gelingt, muss ein ausreichendes Maß an Erholungszeit vorhanden sein. Genauso wie beim Sport konditionelle Fähigkeiten trainiert werden müssen, um eine Verbesserung oder einen Erhalt der sportlichen Leistungsfähigkeit zu erzielen, muss die Arbeitstätigkeit dazu beitragen die individuellen Leistungsvoraussetzungen jedes arbeitenden Menschen zu verbessern oder zumindest zu erhalten (Mustapha & Schweden, 2021).

Eine Arbeitsgestaltung, welche solche förderlichen Anforderungen an die individuellen Leistungsvoraussetzung stellt, hilft nicht nur der Weiterentwicklung der Arbeitenden, sondern auch der wettbewerbsdienlichen Weiterentwicklung der Organisation. Dementsprechend müssen die Anforderungen bzw. Verhältnisse so gestaltet werden, dass sie die individuellen Leistungsvoraussetzungen fordern, aber nicht unter- oder überfordern. Zur Gestaltung solcher Verhältnisse konnten in wissenschaftlichen Untersuchungen bereits essentielle Arbeitsmerkmale identifiziert werden, welche bereits Eingang in nationale und internationale Normen gefunden haben (z.B. DIN EN ISO 6385). Diese Merkmale führen bei „normal“ ausgeprägten Leistungsvoraussetzung (z.B. keine Gesundheitsbeeinträchtigung etc.) zu förderlichen Anforderung, welche learning on the job ermöglichen. Gleichwohl sind im Sinne der dynamischen Arbeitsgestaltung auch verhaltensorientierte Maßnahmen wichtig, um durch Qualifizierungsmaßnahmen eine möglicherweise noch nicht vorhandene Grundqualifikation für eine Arbeitstätigkeit zu erreichen oder das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu erlangen. Das Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung (INAGO) ermöglicht mit einem Netzwerk aus ExpertInnen ein ganzheitliches Vorgehen zur Entwicklung einer guten Arbeitsgestaltung und verhaltensorientierter Maßnahmen.


 

Quellen:

Mustapha, V. (2020). Eine ganzheitliche Arbeitsanalyse, -bewertung und -gestaltung mit dem Leitbild der „vollständigen Tätigkeit“ – Eine Konstruktanalyse und Vorgehensentwicklung (Dissertation). Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. http://doi.org/10.25673/34924

Mustapha, V. & Schweden, F. (2021). Arbeitsanalyse - Arbeitsbewertung - Arbeitsgestaltung – Anforderung der Gegenwart und Zukunft bewältigen. Wiesbaden: Springer. http://doi.org/10.1007/978-3-658-33129-0

Schweden, F. (2018). Auswirkungen erlebter und gegebener Arbeitsmerkmale. Die Beeinflussbarkeit der eigenen Arbeit in Abhängigkeit der Arbeitsintensität. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie. http://.doi.org/10.25673/6641


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