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  • AutorenbildINAGO - Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung

Preisgekröntes Modellprojekt – Best Practice für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen



Das Projekt „Strab auf Trab“ wurde ins Leben gerufen, um die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen für den Fahrdienst der Halleschen Verkehrs-AG durchzuführen. Am Ende haben wir nicht nur die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen unter Verwendung ganzheitlicher Methoden erfolgreich umgesetzt, sondern auch einen Organisationsentwicklungsprozess belebt und begleitet. Das gesamte Projekt wurde noch vor seinem Abschluss mit dem Transferpreis für eine erfolgreiche Transferkooperation ausgezeichnet (link: https://www.campus-halensis.de/artikel/zahlreiche-besucher-beim-thementag-universitaet-trifft-wirtschaft/).

Doch wie stand es um den Beruf?

Zu Beginn des Projekts war die Ausgangslage, dass der Fahrberuf (in diesem Fall die Straßenbahnfahrenden) immer mehr ins Spannungsfeld aktueller, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Trends gerät. Verkehrsbetriebe müssen heute in erster Linie effizient sein. Die Leidtragenden sind dabei meist die Arbeitenden im Fahrdienst. In der Folge war der Fahrdienst deutschlandweit oft der Beruf mit der höchsten Ausfallrate. Die Stadtwerke Halle und die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) haben daher reagiert und ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) installiert. In diesem Rahmen wurde das Projekt „Strab auf Trab“ ins Leben gerufen. Damit sollten die Herausforderungen des Berufs analysiert und Gestaltungsvorschläge erarbeitet werden. Die Projektverantwortlichen machten dafür sogar den Straßenbahnführerschein, um die Perspektive zu wechseln. Bis heute ein einmaliges Vorgehen! Die Erfahrungen des Projekts haben am Ende nicht nur der HAVAG geholfen, sondern konnten auch über Halles Grenzen hinaus einen Beitrag zum Verständnis des Fahrberufs leisten. Anhand objektiver Kriterien haben wir aufzeigt, welchen Anforderungen Straßenbahnfahrende täglich ausgesetzt sind und gezielt Maßnahmen entwickeln.

Was zeichnete das Projekt aus und wie sind wir vorgegangen?

Wir haben den Beruf zeitweise nicht nur selbst ausgeführt, sondern auch Beobachtungsinterviews durchgeführt. Das Projekt konnte in drei große Bereiche gegliedert werden:

1) Analyse

2) Bewertung

3) Gestaltung

zu 1) Die Untersuchung der StraßenbahnfahrerInnen bestand aus den Teilen Befragung und einer Begleitung beziehungsweise Beobachtung am Arbeitsplatz. Nachdem sich Teilnehmende für das Projekt gemeldet hatten, wurden zwei Befragungstermine durchgeführt. Dabei sollten in verschiedenen Fragebögen einerseits die Arbeitsmerkmale und andererseits die gesundheitliche Situation der Beschäftigten erfasst werden. Aus beiden Angaben sollten Wechselbeziehungen zwischen Beruf und Gesundheit analysiert werden. Kern der Analyse war die Begleitung einiger StraßenbahnfahrerInnen während einer ganzen Schicht. Dabei wurde genau dokumentiert, wie der entsprechende Arbeitstag ablief (Pausen, Störungen und Kommunikationen). Im Zuge dessen kam das Vorgängerverfahren unseres aktuellen Beobachtungsinterviews TAG-MA zum Einsatz.

zu 2) Die Bewertung der psychischen Belastungen erfolgte anhand objektiver Kriterien, die der DIN EN ISO 6385, dem Arbeitsschutzgesetz und der GDA-Leitlinie gerecht wurden.

zu 3) Auf Basis der Analyse und Bewertung wurden anschließend Gestaltungsmaßnahmen entwickelt.

Die abgeleiteten Maßnahmen konnten wir anschließend sogar selbst umsetzen und evaluieren. Ein seltenes Gut bei vorherrschenden nicht ganzheitlichen Angeboten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung.

Was hatte das Unternehmen davon?

Zum einen haben wir durch Beobachtungsinterviews, Befragungen und Workshops eine fundierte Basis zur Ableitung von Gestaltungsmaßnahmen geliefert. Durch den Erwerb des Führerscheins für die Straßenbahn, war es uns zusätzlich möglich auf Basis der eigenen Erfahrung Vorschläge zu generieren. In von uns moderierten BGM-Workshops bestimmten wir Schwerpunkte und konkretisierten die Problemlage unter Einbezug von Betroffenen (FahrerInnen und EntscheidungsträgerInnen). Der Return of Invest (ROI) für das Unternehmen war deutlich. Beispielsweise ist der Krankenstand nach dem Projekt um 3% gesunken. Wir konnten zusätzlich zentrale Strukturen etablieren, welche kontinuierlich an der Verbesserung des Fahrdienstes arbeiten. Mittlerweile arbeiten mehrere interne Gruppen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements nach unserem Muster und erarbeiten Ideen für Verbesserungsmaßnahmen, deren Umsetzung sowie deren Tauglichkeitsprüfung (ROI). Damit hat das Projekt den Grundstein für eine strategische Ausrichtung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements gelegt. Wo vormals durch Unkenntnis Vorurteile zwischen Abteilungen vorherrschten, besteht nun ein „gemeinsames Schaffen“. Auch nach Projektabschluss haben wir die Prozesse weiterhin beratend begleitet.

Was wurde konkret gemacht?

Die Ergebnisse des Projekts tragen auch heute noch Früchte. In den letzten Jahren gab es für alle Beschäftigten bereits mehrere Verbesserungen, die wir gemeinsam mit der BGM-Gruppe geplant und umgesetzt haben. So wurden die Pausenräume ansprechend und farbenfroh saniert. Neben den sanitären Einrichtungen verfügen die meisten Endstellen über Aufenthaltsräume mit Sitzmöglichkeiten und einem Tisch. An vielen Endstellen steht außerdem ein Automat für Heißgetränke und ein Wasserspender. Zusätzlich haben wir weitere verhältnis- und verhaltensorientierte Maßnahmen ableiten können:

  • Reduzierung von Widersprüchen durch eine optimierte Auftragsgestaltung

  • Modelle für Mischarbeitstätigkeiten

  • Verbesserte Kommunikation für das gesamte Unternehmen

  • Erarbeitung von Sonderdienstplan-Modellen für spezielle Bedürfnisse (z. B. mit reduzierter Stundenzahl oder ausgewählten Schichtlagen)

  • praxisnahe Deeskalationstrainings zum Verhalten in verschiedenen Situationen gegenüber Fahrgästen

  • Ausbildung von Fahrdienstleitenden zu Ersthelfenden, welche Fahrer oder Fahrerinnen nach schweren Unfällen am Unfallort betreuen

  • konzernweite Gesundheitstage und Sportkurse

  • Gestaltung der Fahrkabine mit neuen Sitzen und Armauflagen zur besseren Bedienbarkeit der Sollwertgeber

Fazit?

Mit dem Projekt „Strab auf Trab“ konnten wir unsere Idee der ganzheitlichen Arbeitsanalyse und Organisationsentwicklung umsetzen!

Gemeinsam mit dem Unternehmen und durch den Einsatz von Beobachtungsinterviews sowie der eigenen Ausführung der Tätigkeit haben wir die Basis für eine nachhaltige, bedarfsgerechte und belastungsreduzierende Arbeitsgestaltung geschaffen. Auf diese Weise können wir unser Vorgehen auf die jeweiligen Anforderungen und auf spezielle Berufe anpassen. Wir analysieren dabei die objektiven Anforderungen und nicht die subjektive Wahrnehmung der Arbeitenden. Das Ziel ist jederzeit 1) die Effizienz der Leistungserbringung, 2) der Schutz vor physischer und psychischer Beeinträchtigung sowie 3) die Lern- und Gesundheitsförderlichkeit. So können Unternehmen und Organisationen nachhaltig erfolgreich sein.



 

Quellen:

  • Schweden, F. & Kästner, T. (2020). Strab auf Trab - Das Stadtwerke Wissen. Halle (Saale): Stadtwerke Halle GmbH.

  • https://swh.de/werbemittel  unter „Bücher“

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