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  • AutorenbildINAGO - Institut für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung

Home-Office: Chancen und Herausforderungen


Home-Office (engl. working from home) – Vor der COVID-19-Pandemie wurde damit die Hoffnung auf eine nette Abwechslung zum Büroalltag verbunden. So bringt das Arbeiten im Homeoffice einige Benefits mit sich, die es den Beschäftigten erlauben, ihren Arbeitsalltag flexibler und zum überwiegenden Teil nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Zusätzlich war damit der Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf assoziiert.

Home-Office: Das ist Toll! Oder?!

Doch wie viel Prozent der sich im Home-Office befindlichen Arbeitenden würden diesen positiven Aspekten des Arbeitens von Zuhause pauschal zustimmen? Und unter welchen Voraussetzungen gelingt das Arbeiten von Zuhause überhaupt? Welche neuen Chancen, aber auch Herausforderungen ergeben sich?

Mit diesen Fragen beschäftigen sich aktuell FachexpertInnen aus aller Welt. Ein zentraler Aspekt in Deutschland ist insbesondere die rechtliche Grundlage dieser Arbeit. Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) definiert in § 2 Abs. 7 die Telearbeitsplätze als vom Arbeitgeber „fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat". Doch Telearbeit ist nicht gleichzusetzen mit den derzeit praktizierten Arbeitsplätzen des Home-Office. Vielmehr kann Home-Office als Vorform der Telearbeit verstanden werden, da die meisten Arbeitgeber zum Beispiel nur Laptops zur Verfügung stellen, jedoch nicht das komplette Mobiliar. Viele Unternehmen hatten auch nicht vor, ihre Beschäftigten „ins Home-Office zu schicken“. Es existieren ja bereits Büroarbeitsplätze in den Unternehmensgebäuden. Viele Arbeitgeber stellten sich daraufhin die Frage, Warum man aufgrund einer unbekannten Ausnahmesituation zusätzlich Telearbeitsplätze einrichten sollte. Dies sei schließlich „extrem teuer, beanspruche viele Ressourcen und sei zudem nicht das Ziel der Unternehmensentwicklung“.

Aus einer Möglichkeit wird eine Notwendigkeit!

Dennoch, die COVID-19-Pandemie stellt Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen vor große Herausforderungen. In vielen Unternehmen wurde der Home­Office-Arbeitsplatz aus der Not heraus innerhalb kürzester Zeit eingeführt oder stark ausgebaut. Aus einer Möglichkeit von Zuhause zu arbeiten, wurde eine Notwendigkeit. Unterschiede zwischen den Beschäftigten, welche im „normalen“ Büroalltag in der Regel vernachlässigbar waren (z.B. Beschäftigte mit Kindern, alleinstehende Beschäftigte, Beschäftigte mit Vorerkrankungen, Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen etc.), sind dadurch bedeutsamer denn je. Während der Arbeitsauftrag in den meisten Fällen identisch geblieben ist, kommen zu der ungewohnten Arbeitsumgebung oftmals parallele Aufgaben wie z.B. die Kinderbetreuung hinzu. Nicht wenige ArbeitnehmerInnen klagen dadurch: „Ich fühle mich, als ob ich nochmal einen neuen Job anfange! Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht!“. Von jetzt auf gleich müssen Beschäftigte in dieser neuen Situation die gleichen Arbeitsergebnisse erzielen.

Allerdings haben die Unternehmen und Beschäftigten diese Herausforderungen in vielen Fällen sehr gut gemeistert. Darin zeigt sich eine Besonderheit der COVID-19-Pandemie: Sie wird nicht zu Unrecht als Treiber des digitalen Arbeitens betitelt. Selbst die konservativsten Gewerkschaften haben mittlerweile ein Einsehen, dass durch die Pandemie betriebliche Regelungen zur Telearbeit und/oder alternierenden Telearbeit notwendig sind. Ohne die Pandemie hätte dies vermutlich noch Jahre auf sich warten lassen.

Schwarz & Weiß – Herausforderungen & Chancen

Es scheint ratsam die Folgen der COVID-19-Pandemie auf die Arbeitswelt aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Was können Unternehmen lernen? Was können ArbeitnehmerInnen lernen? Welche Aspekte sind im Rahmen der psychologischen Arbeitsgestaltung zu beachten? Viele Beschäftigte mussten notgedrungen ins Home-Office, bevor betriebliche Regelungen getroffen werden konnten. Das positive daran? Viele Unternehmen müssen ihr aktuelles Menschenbild hinterfragen und mehr denn je Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden entwickeln. Sowohl Arbeitgeber als auch ArbeitnehmerInnen sind „gezwungen“ aus dieser neuen Situation zu lernen. Für den einzelnen Beschäftigten ergeben sich neue Chancen und Herausforderungen, welche eigenverantwortlich gelöst werden müssen. In der folgenden Zusammenstellung sind wesentliche Herausforderungen und deren Chancen dargestellt. Es handelt sich dabei um psychologische Anforderungen, welche dem job content (Arbeitsinhalt) oder job context (Arbeitsbedingung) zuzuordnen sind. Die Gestaltung aktueller und zukünftiger Home-Office-Tätigkeiten bzw. Telearbeitsplätze bedarf in jedem Fall immer eine ganzheitlichen Betrachtung.

Chancen & Herausforderungen

Erwartungsdruck:

Die Gefahr ist, dass an neue Rahmenbedingungen die gleichen Erwartungen geknüpft werden. Viele sind das erste Mal im Home-Office. Verlangen Sie von sich nicht sofort die gleichen Leistungen wie im Büroalltag ab!

Chance: Geben Sie sich einen Anpassungszeitraum und nutzen Sie Ihr Team zur gegenseitigen Unterstützung.

Lernförderlichkeit:

Die Gefahr ist, dass im Homeoffice überwiegend die Aufträge bearbeitet werden, die keiner Absprache benötigen.

Chance: Nutzen Sie die neuen Medien (Videokonferenzplattformen; digitale Kalender; digitale Projektmanagementtools; etc.) und versuchen Sie Aufträge mit Hilfe dieser Technologien kooperativ zu vergeben. Egal ob als Führungskraft mit Ihrem Team zusammen oder als Teammitglieder untereinander.

Pausensysteme:

Die Gefahr ist, dass Pausen unsystematisch genommen werden. Oftmals mehrere, dafür kürzere.

Chance: Vereinbaren Sie in Ihrem Team ein festes Pausensystem und statten Sie Ihren Arbeitsplatz mit dem Nötigsten aus, z.B. etwas zu essen und zu trinken – dann „muss man nicht so oft in die Küche“. Sie können auch gemeinsame digitale Pausen vereinbaren.

Erreichbarkeit:

Die Gefahr ist, dass zum Teil auch private mobile Geräte überwiegend für die Arbeit genutzt werden. Das Homeoffice erschwert die Abgrenzung.

Chance: Vereinbaren Sie feste Zeiten und auch über welches Medium man Sie am besten erreichen kann. Wichtig ist, dass es für alle durchschaubar und transparent ist.

Fehlender direkter Kontakt:

Die Gefahr ist, dass digitale Meetings überwiegend sachbezogen sind und der informelle Austausch fehlt.

Chance: Vereinbaren Sie digitale After-Work-Treffen oder verabreden Sie sich zu gemeinsamen digitalen Pausen.

Flexibilisierungsmöglichkeiten wird zur Notwendigkeit:

Die Gefahr ist, dass neue Handlungsspielräume auch überfordernd sein können. In Selbstverantwortung muss Arbeitszeit, Arbeitsmenge, die Verfügbarkeit für KollegInnen und die familiären Pflichten arrangiert werden.

Chance: In erster Linie stellen sich Herausforderungen an die Selbstmanagementkompetenz. Da viele KollegInnen in der gleichen Situation sind, sind Sie damit nicht allein! Legen Sie im Team gemeinsame Arbeitszeiten und -fristen fest. Sprechen Sie auch über die neuen Herausforderungen und wie Sie diese gemeistert haben.


Natürlich ist diese Übersicht nicht erschöpfend, sondern stellt lediglich einen kurzen Überblick über die mannigfaltigen neuen Arbeitseinflüsse dar. Beispielsweise ergeben sich für Führungskräfte aus dem „Führen auf Distanz“ oftmals weitere Herausforderungen und Belastungsfaktoren. Aber auch dabei gilt:


„Will man Schweres bewältigen, muss man es leicht angehen.“ (B. Brecht)


 

Schweden, F. (2021). Der Beitrag stammt aus einem Skript der Vortragsreihe des Instituts für Arbeitsgestaltung und Organisationsentwicklung (INAGO).

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